
box
2023-08-01 ZIB 2 Andrea Kdolsky über Gesundheitspolitik
Wolf: Und sehr viel Expertise zum Gesundheitssystem hat unser heutiger Studiogast aus den verschiedensten Perspektiven: Andrea war Fachärztin für ans Gesundheitsmanagerin und zwei Jahre lang die bisher letzte Gesundheitsministerin. Vor kurzem ist es Protest, ging die schwarzblaue Koalition in Niederösterreich aus der Volkspartei ausgetreten. Wie Angst kommen, Frau! Beginnen wir bei diesen Primärversorgungszentren. Es wird. Seit heute ist es leichter, so ein zu gründen. Sie wollten solche Zentren ja schon vor 15 Jahren als Ministerin. Jetzt kommt das langsam in die Gänge. Wie gut werden die Funktionieren, und wie sehr werden die das System entlasten?
Kdolsky: Also prinzipiell, von der Idee her werden sie das System entlasten. Leider Gottes ist es wieder nicht geglückt, dass verstärkt Augenmerk auf nicht ärztliche Berufsgruppen gelegt wird. Die Können aber sind nicht wirklich vorgeschrieben, das heißt, sie können auch nicht in einer Verantwortungssituation sind, und es sind Dinge, sind Berufsgruppen vergessen worden, wie die Physiotherapie, eine ganz wesentliche in so einem primär Zentrum und viele andere auch. Ich will da jetzt gar niemanden vernachlässigen. Das ist ein bisschen eine inhaltliche Sache. Prinzipiell ist es natürlich richtig, nur, wir nehmen wieder einen Baustein und versuchen, etwas zu kitten, wo sich gerade ein großes Loch zeigt, und es zeigt sich ja nicht erst gestern, nämlich im Spital ambulanten Bereich, und sehen nicht das Ganze. Das heißt, der Ärztemangel wird sich dort genauso zeigen, natürlich, wie es sich derzeit in den Spitälern zeigt.
Wolf: Bleiben wir noch bei einem anderen Baustellen. Die Regierung will ja bis Jahresende 100 offene Kassen, Ordinationen besessen besetzen. Unbesetzt sind noch deutlich mehr als ich will. Für Start Prämien bis 100000 € auszahlen. Ist das ein guter Plan?
Kdolsky: Nein, das ist kein guter Plan aus dem ganz klaren Grund. Wir haben, es gibt eine Untersuchung vom Ende dieses Jahres, das sind in etwa 300 offenen Kassenstellen gewesen, die nicht besetzbar sind, und jetzt sind es halt dann 400, und ich denke mir, eines der Grundprobleme ist, und das lernt man im Management sehr schnell, dass man auf den Grund geht, warum etwas so ist. Das heißt, es sind offensichtlich die Rahmenbedingungen, die nicht passen, und die werden ja nicht passende, wenn ich statt 300 dann 400 Stellen habe, und diese 100 Millionen, die sie ansprechen, Herr Wolf, ja, das ist natürlich ein Angebot, und ja, wir haben sogenannte Mangel, Bereiche in der Gynäkologie, vor allem natürlich auch in den psychologischen und psychotherapeutischen Bereichen. Aber ich glaube nicht, dass wir deswegen wahnsinnig viel mehr finden, sondern es muss das Gesamt System flexibler, transparenter und strukturierter werden. Die jungen Leute von heute sind keine Einzelkämpfer mehr. Das ist die Chance für diese Zentren. Die wollen Teams, aber im Prinzip wollen sie natürlich auch klare Strukturen und sich nicht in finanzielle Abenteuer stürzen.
Wolf: Jetzt ist ja beim Gesamtsystem das Absurde, dass alle, wirklich alle, sich einig sind, dass man die Patienten aus den Spitälern oder aus den Spitals Ambulanzen hinausbringen muss hin in den niedergelassenen Bereich, zu den Ärztinnen und Ärzten. Aber darüber sind sich alle seit 20 Jahren einig. Warum passiert es nicht?
Kdolsky: Also, eines der größten Probleme im österreichischen System ist die Zersplitterte in der Entscheidungsfindung. Sie können heute in jeder Managementebene schauen. Es ist ganz, ganz wichtig, sich Meinungen zu holen. Es ist ganz wichtig, Themen zu diskutiert, die alle Betroffenen auch einzubeziehen. Aber irgendwann muss jemand eine Entscheidung treffen, und das passiert bei uns nicht, weil, da ist öfter angesprochen, schon dieses Triumvirat zwischen Kammmern, zwischen also Sozialpartnern, zwischen Versicherung, zwischen Land und vor allem natürlich der Föderalismus, das goldene Kalb. Und das sind jene Themen, die verhindern, dass jemand wirklich eine Entscheidung trifft, ganz im Gegensatz zu Skandinavien zum Beispiel.
Wolf: Das sagt dir der aktuelle Gesundheitsminister auch. Das sagen viele Gesundheitsminister. Sie waren auch Ministerinnen, und sie beklagen die Machtlosigkeit des Ministeriums seit vielen Jahren. Aber ist das wirklich so? Der Minister vertritt die Regierung. Die Regierung hat eine Mehrheit im Parlament mit ihrer Koalition und kann damit die Gesetze ändern und damit auch das System.
Kdolsky: Teilweise geht es nur, kommt dann natürlich immer wieder dazu. Ich denke drüber nach, dass sie zum Beispiel ein Gesetz einbringen wollte 2008, wo die Kosten oder die Finanzmöglichkeiten für die Prävention in von damals lächerlichen 2 Prozent auf 4 Prozent gehoben werden. Im Schnitt war das Ziel, 2021 20, 22 auf 25 Prozent der Gesundheitskosten zu gehen, und das ist im Parlament gestoppt worden, weil die Länder eine eine Kompetenz haben, dass, wenn es Finanzierungen sind, die sie betrifft, dass sie einen Stopp setzen können, und den müssen sie nicht einmal argumentieren, und da können sie Gesetze einbringen, was sie wollen. Es geht einfach nicht.
Wolf: Na gut, aber ist das nicht zu einfach? Sie waren noch Ministerin in einer großen Koalition, und die hatte damals tatsächlich noch eine zwei Drittel Mehrheit. Davon können die heute die Regierung träumen. Sie hätten mit dieser Verfassungs-Mehrheit alles ändern können.
Kdolsky: Das ist richtig, nur leider Gottes habe ich nicht ausgenutzt, dass ich irgendwann mal an einem Sommertag oder irgendwie der Chef der Regierung war, wenn man sich austauscht, weil alle auf Urlaub sind und das Durchziehen hätte können. Vielleicht Faktum ist das natürlich. Sie erinnern sich an 2008, das ist keine. Schade! Ich habe eine der großen Reformprojekte ins Parlament gebracht, die leider früh verstorben. Seine Oberhausen hat es, Sprecherin der Gesundheit in der mir den Rücken gestärkt und mit ihrer Fraktion dem Koalitionspartner zugestimmt, und meine eigene Partei, weil in diesem Gesetz auch natürlich gewisse Attacken schon auf den Föderalismus drinnen waren, hat dagegen gestimmt. Also, das heißt, das Problem sind die verschiedenen Steg, hole, die sich in den letzten 70 Jahren, ich sage so hart, wie es ist, bequem gemacht haben, und es geht um unglaublich viel Geld, nämlich insgesamt in etwa 49 Milliarden Euro 12,1 Prozent des, und die verteilen sich natürlich gut.
Wolf: Jetzt sind ganz zentrale Player. Sie haben schon gesagt, die Bundesländer, die die Spitäler betreiben, und die Sozialversicherungen, die mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die Kassen Praxen finanzieren, wäre ein zentrales, vom Gesundheitsministerium gelenktes System, das nur durch Steuern finanziert wird, wie es in skandinavischen Ländern gibt, besser?
Kdolsky: Also in meinen Augen, ja, ich habe immer schon gesagt, wir müssen lernen, auch mit der Zeit zu gehen. Eine Staatsreform würde bedeuten, also Bundesstaatsreform würde bedeuten, dass ich mir auch anschaue, ob diese Finanzierung noch adäquat ist. Das war zurzeit Bismark. Es ist das sogenannte Bismarck System, wichtig und gut in so ein Sozialversicherungssystem auf die Beine zu stellen. Inzwischen, wenn man nach Skandinavien schaut, ist ein steuerfinanziertes System mit Beitragsleistung Patientinnen und Patienten meines Erachtens ein sehr, sehr viel gezielteres, effizienteres Mittel, weil auch der Gesundheitsminister dann die Entscheidung hat und die letzte Entscheidung hat und damit Entscheidungen schneller fallen.
Wolf: Das würde bedeuten, die Sozialversicherungen abschaffen und die Spitäler den Bundesländern wegzunehmen.
Kdolsky: Im Prinzip ist es das Abschaffen der Sozialversicherung, wird von heute auf morgen nicht zu gehen. Aber es ist ein bisschen die Frage, wie lange eine Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger, wo man eigentlich strategisch überhaupt nicht mitarbeiten kann, noch haltbar ist, und dass die Spiele in einem Land des kleineres Bayern neun verschiedene Krankenanstalten Gesetze, also insgesamt mit dem Bundesrates alten Gesetz zehn Krankenanstalten-Gesetze haben. In Österreich ist lächerlich, und ich glaube, das ist längst an der Zeit, dass wir die Gesamtrahmen Bedingungen für den Spitalsbereich zentral steuern. Es gibt Bildung und Gesundheit. Da muss man jetzt gleich auf dem Föderalismus Gesamt gehen. Der ist in vielen Dingen vielleicht sogar sehr wichtig, aber dort glaube ich, ohne dem wird es nicht gehen.
Wolf: Und die Türkis blaue Koalition hat die Sozialversicherungen zusammengelegt. Jedenfalls etliche davon war die größte Kassen. Reform seit Jahrzehnten hat das was gebracht.
Kdolsky: Es war keine Reform, sondern es war ein bisschen eine Augenauswischerei, sagt ja auch der Rechnungshof. In Wahrheit ist alles beim alten geblieben, außer dass man neue Schilder hat und dass man nicht mehr Wiener Gebietskrankenkasse, sondern österreichische Gesundheitskasse, Department Wien sagt und damit doch viel Geld in die Hand nehmen hat müssen, um die Dokumente und alles zu ändern. Es sind ein paar kleinere Kasten dazugekommen. In Wahrheit wäre eine große Reform gewesen, wenn man sagt, da ist die Pensionskasse, da ist die Krankenkasse und das aus einer einander dröselt. Aber da hat man wieder das Problem mit den Stakeholdern, weil bei den bei der Bauern Kasse ist die Pensionsversicherung und die Unfallversicherung bei der, bei den Beamten ist es nur die Pensionsversicherung und die Unfallversicherung, bei der, und da will man natürlich niemand aus dem eigenen Klientel auf die zehn steigen. Wenn man es wirklich klar macht und hergeht und sagt, ich habe hier Pensionsversicherung, da Krankenversicherung und Unfall-Versicherung, natürlich würde es auch in eine österreichische gute Sachen und voll Prävention ist, dann wäre das eine Reform. Aber das ist natürlich etwas, was dann noch zu weit geht und wo man wieder jemanden vergrämt, was man nicht möchte.
Wolf: Letzte Frage noch. Sie haben vor kurzem gesagt, das Gesundheitssystem ist in der schlimmsten Situation in der zweiten Republik, und es wird noch schlimmer. Das klingt furchtbar.
Kdolsky: Das klingt deswegen furchtbar, weil noch immer, und da muss ich sagen, großes LOB vor allem auch. Es wird immer von den Ärzten und Ärzten gesprochen, das Pflegepersonal, das natürlich ganz, ganz wesentlich daran Teil hat, dass das System aufrechterhalten wird und das immer mehr gehen gehen aus dem System, weil es keine flexiblen Strukturen gibt, weil es noch immer eine Situation gibt, wo die Leute ausbrennen, und jetzt immer mehr, weil es immer weniger werden. Das heißt, noch halten engagierte Gesundheitsberufe den gesamten Bereich. Aber letztendlich glaube ich, und das, was ich jetzt sage, klingt furchtbar. Gott sei dank ist noch nicht den Patienten passiert, außer dass sie längere Wartezeiten haben, wo es natürlich auch schirch ist, wenn sie eine Krebsdiagnose haben, länger auf eine Operation warten müssen. Aber das, was wahrscheinlich irgendwann mal passieren wird, dass jemand nicht mehr rechtzeitig in den Spital kommt, und wenn das passiert und wenn das öfter passiert, und das wünsche ich niemanden, und das ist ein entsetzliches Bild, das wir haben, vielleicht kommt es dann zu einem Umdenken. Im Moment sehe ich auch mit dieser Reform, obwohl Bundesminister auch sich sehr bemüht, hier wirklich die richtigen Dinge zusetzen. Aber er sagt ja auch immer wieder: Papa und das Ding!
Wolf: Sind ziemlich unerfreuliche Diagnose, trotzdem jedenfalls Danke für die Anamnese und für den Besuch im Studium.
Kdolsky: Danke vielmals, um einen schönen Abend.
Die deutsche Koalition setzt drogenpolitisch einen historischen
P.S.: Wer suchet, der findet!
öffnenschließentxt right